Ernst Strommer berichtet über den ehemaligen Fernmeldedienst der ÖBB
Koll. Ernst Strommer bei der Übergabe seiner Sammlung über den Fernmeldedienst der ÖBB
Der Fernmeldedienst der ÖBB war ein Fachdienst mit einem Personalstand von ca 1.000 Personen. Es war ein zentralisierter Dienst, d.h. die ausführenden Dienststellen unterstanden direkt der Fachabteilung in der Generaldirektion (GD). Die ausführenden Dienststellen waren die Fernmeldestreckenleitungen (FmS) in Wien, Linz, Innsbruck und Villach. An jede FmS war eine Fernmeldewerkstätte (FW) angeschlossen, in Wien war das die Fernmeldehauptwerkstätte (FHW) in 10., Laxenburger Straße 4. Ebenso verfügte jede FmS über mehrere Bautrupps, die auf verschiedene Anlagenarten (z.B. Fernsprechen, Kabel, Funk) spezialisiert waren. Als Standort für die technischen Anlagen des Fernmeldedienstes bestehen in Bahnhöfen und Dienstgebäuden eigene Fernmelderäume (FmR).
Der Fernmeldedienst war zuständig für:
- Planung
- Beschaffung
- Installation
- Betrieb
- Wartung und
- Störungsbehebung
der folgenden Fernmeldeanlagen:
- Bahnfernsprechnetz BASA (S = Sprache) - mit internationalen Fernsprechwählverbindungen mit dem UIC-Fernsprechnetz
- Bahndatennetz BADA (D = Daten) - in Österreich die Nachfolge des Fernschreibnetzes
- Fernschreibwählnetz FSW - internationale Fernschreibwählverbindungen mit dem UIC-Fernschreibnetz und darüber hinaus (bis Moskau für den Containerverkehr auf der Transsib)
- Datenverbindungen zu den Nachbarbahnen für EURATEL
- Platzreservierungsnetz - Verbindungen der Buchungseinrichtungen zur EPA in Frankfurt/Main
- Elektrosondernetz - Fernsprechnetz für die elektr. Zugförderung, Lastverteiler und Kraftwerke
- Betriebsfernsprechnetz – Streckenfernsprechanlagen von Bahnhof zu Bahnhof - Streckenausrüstung („F-Buden“, Blockposten, Tunnelfernsprecher etc)
- Betriebsfernsprechnetz – Bahnhoffernsprechanlagen - Fahrdienstleitungen, Bahnhofsprechstellen bis zu den Signalfernsprechern
- Rechnergesteuerte Zugüberwachung (RZÜ) – Betriebsinformationssystem (BIS) - RZÜ-Zentralen, Bahnhofsrechner, Terminals
- Lautsprecheranlagen und Uhrenanlagen - Bahnhofgebäude, Bahnsteige, Verschublautsprecher
- Optische Informationsanlagen, Zugzielanzeigeanlagen (ZZA) - Zentrale Anzeigetafeln, Bahnsteiganzeiger und Monitore, Video-Überwachungsanlagen
- Fernkabelanlagen entlang der Strecke und zu Dienstgebäuden abseits der Strecke mit Kupferadern (Cu), Koaxialleitern (Fkx) oder Lichtwellenleitern (LWL) beschaltet mit den zugehörigen Verstärker- und ÜbertragungseinrichtungenOrtskabelanlagen im Bahnhof- und Nahbereich und Gebäudeverkabelungen zur Verbindung der jeweiligen Endgeräte mit ihren zentralen Einrichtungen
- Zugfunkanlagen auf Hauptstrecken
- Zugleitfunkanlagen auf Nebenstrecken
- Bahnhoffunkanlagen, tragbare Funkgeräte für alle Dienste
- Verschubfunkanlagen für Bahnhöfe und Abrollanlagen
- Tunnelfunkanlagen für alle Dienste und Hilfsorganisationen
- Richtfunkanlagen für Verbindungen zu entlegenen Standorten (Kraftwerke)
- Meldeanlagen - Heißläuferortungsanlagen (HOA), Flachstellenortungsanlagen (FOA), - Weckrufanlagen für ÖBB-Übernachtungsgebäude
- Kassensicherungsanlagen
- Rohrpostanlagen in Verschiebebahnhöfen zum Transport der Frachtbriefe
- Rollzettelschreibanlagen für Abrollanlagen
- Betrieb der Fernsprechvermittlungen der GD und der Bundesbahndirektionen
Diese Aufstellung zeigt, dass praktisch jeder Eisenbahner für seine Dienstausübung Einrichtungen des Fernmeldedienstes benötigt. Der Fernmeldedienst stellt somit das Rückgrat für alle anderen Fachdienste dar. Im Normalfall, wenn alles klaglos funktioniert, ist vielen Kollegen nicht bewusst, wie viele verantwortungsvolle Tätigkeiten dafür im Hintergrund zu verrichten sind. Im Störungsfall steht die Reaktionsgeschwindigkeit bei der Störungsbehebung immer im Vordergrund, das Personal ist einem ungeheuren Zeitdruck ausgesetzt. Zur Vorbeugung von Ausfällen sind daher schon bei der Planung die Verdoppelung kritischer Anlagen, die Ersatzschaltung von Leitungswegen, sowie der Einsatz von Notstromversorgungen selbstverständlich.
Die Dienstausübung war demnach sehr genau und detailliert durch folgende Dienstunterlagen geregelt:
- Dienstvorschriften (DV), Umschlagfarbe rosa, Abkürzung „FM“ - z.B.: FM1, Dienstvorschrift für den Fernmeldedienst (Struktur und Organisation)
- Dienstbehelfe (DB)
- Dienstanweisungen (DA)
- Ausschreibungsunterlagen („Bedingnishefte“ BH)
- Merkblätter
- Anlagenbeschreibungen
- Wartungsanweisungen
- Schaltpläne
- Lagepläne
- Unterlagen der Herstellerfirmen
- Schulungsunterlagen
Eine große Vielfalt dieser Unterlagen ist noch vorhanden und sollte, wie es in der Beschreibung des EHM-Archives heißt, „als Dokumente aus der Welt der Arbeit für künftige Generationen aufbewahrt werden“. Diese Vielfalt widerspiegelt auch den gerade im Fernmeldebereich stattgefundenen ungeheuren technischen Fortschritt im Laufe der Jahre, der auch für das hochmotivierte Personal und seine Schulung eine gewaltige Herausforderung darstellte.
Tätigkeiten des ÖBB-Fernmeldedienstes außerhalb der ÖBB:
(1)
Viele Jahre war aufgrund des „AuFü“ (Autobahnfernmeldeübereinkommen) der ÖBB- Fernmeldedienst auch für folgende Fernmeldeanlagen entlang der österreichischen Autobahnen zuständig (das Entgelt hiefür war im AuFü festgelegt):
Kabelanlagen
Notrufsäulen
Autobahnfernsprechnetz ABSA zwischen den Autobahnmeistereien
(2)
Ebenfalls viele Jahre hatten die ÖBB den Vorsitz in der EURATEL-Gruppe. In dieser Organisation der europäischen Bahnen wurden alle Fragen der grenzüber- schreitenden Zusammenschaltung der Bahnfernmeldenetze geregelt. Aufgrund der zentralen Lage in Europa hatten die ÖBB auch spezielle Aufgaben im internationalen Fernmelde-Netzwerkmanagement.
Abkürzungen für den internationalen Bereich:
- EPA Europäische Platzbuchungsanlage in Frankfurt/Main
- EURATEL European Railway Telecommunications, Sitz in Wien
- UIC Union Internationale des Chemins de fer = Internationaler Eisenbahnverband, Sitz in Paris
Ing. Mag. Ernst Strommer ernst.strommer@gmx.at